Overline: Desinformation und Klimawandel
Headline: Zeit für eine neue Kommunikation der Klimathemen

Falschmeldungen über Klimathemen haben zugenommen, mit Verschwörungstheorien werden wissenschaftliche Fakten in Frage gestellt. In welcher Art und Weise kommt Desinformation in die Welt, zu welchem Zweck und wer sind die Akteure? Zu diesen und weiteren Fragen hat am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) ein Workshop mit internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stattgefunden.

Workshop Prof. Lance Bennett speaking
Eine neue Form der Kommunikation über den Klimawandel sei notwendig, sagte Prof. Lance Bennett beim IASS Workshop im August 2019. IASS/ S. Letz

Die historische Entwicklung von den ersten Umweltaktivisten in den 60er- und 70er-Jahren und ihren Antipoden skizzierte Professor Lance Bennett von der Universität Washington, Seattle, im Auftaktvortrag des Tages: Nordamerikanische Industriegruppen versuchten zuerst mit „Fakten“ gegen die neue „grüne“ Bewegung vorzugehen. Als dies nicht fruchtete, attackierten sie die Aktivisten direkt. Der Informationsrat der Umwelt (Information council on the environment ICE), von US-Energiekonzernen ins Leben gerufen, startet PR-Kampagnen, die in den 80er-Jahren in der Bevölkerung Verwirrung sollten  und Zweifel an der Wissenschaft stifteten: „Wenn die Erde wärmer wird, warum wird es dann in Minneapolis kälter?“, eines der Beispiele, wie wissenschaftliche Fakten über komplexe Zusammenhänge negiert wurden.

In den 90er-Jahren dann die neue Dimension: ausgeklügelte Leugnungs- und Wissenschafts-Skeptizismus-Kampagnen werden global. Energiegiganten wie etwa Southern Coal & Electricity, Exxon Oil & Chevron Oil oder die Koch Foundation finanzieren laut Prof. Bennett Think Tanks und „Experten“, die den Zweifel an der Wissenschaft nähren. Es werden pseudowissenschaftliche Studien herausgebracht, Bürgerorganisationen vorgetäuscht, Politiker unterstützt, die auf wissenschaftsskeptischen Seite standen, und das Klima-Thema wurde als ein parteiisches, ideologisches Problem abgewertet – Letzteres insbesondere in den USA.

Eine wissenschaftsbasierte Politik wird als Bedrohung für traditionelle Lebensweisen gebrandmarkt. Damit sollten bestimmte Industrien und das damit verbundene Wirtschaftswachstum gerettet werden. Im Jahr 1998 wurde diese Strategie von nordamerikanischen Energieunternehmen als globaler klimawissenschaftlicher Kommunikationsplan auf den Weg gebracht.   

Zeit für eine neue Kommunikation der Klimathemen

Bennett bot in seinem Vortrag einen Einblick und Überblick über die Vernetzung der verschiedenen Mitspieler vom Heartland Institute, über einzelne Personen wie den emeritierten Jon D. Easterbrook oder Fox Nachrichtensprecher Steven J. Milloy und Klimaleugner-Blogger wie Anthony Watts bis zu großen Unternehmen wie den Koch Industries. Daneben zeigte er die Stränge auf, die nach Deutschland führen. Über das Heartland Institute gibt es Verbindungen zum European Institute of Climate Change (EIKE) und dessen Präsidenten Holger Thuss.        

Seine entscheidende Frage, wie sollen Gesellschaft und Kommunikatoren damit umgehen? „Hört auf, die Menschen zu verängstigen“, sagte Bennett, der derzeit am IASS als Senior Fellow forscht - „und Schluss mit den Fotos von Eisbären, sie sind nicht einmal bedroht.“ Eine neue Form der Kommunikation über den Klimawandel sei notwendig, die mehr auf die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Ursachen fokussiere, globale Systeme, Wachstum und politische Mängel einbeziehe, aber ebenso frage nach der Wirksamkeit von Lösungen wie CO2-Steuern oder Elektroautos.

Dieter Plehwe vom Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung (WZB) vervollständigte das Bild und erläuterte die Vernetzung der Klimawandelleugner von Nordamerika nach Europa bis nach Deutschland. Eine entscheidende Rolle bei der kritischen Haltung gegenüber der Klimawissenschaft spielten neoliberale Think Tanks oder ehemals in der Industrie Beschäftigte, weil sie die Energiewende als Beschneidung ökonomischer Freiheit ablehnten. Seit neoliberale Netzwerke mit der neuen Rechten zusammenarbeiteten, habe sich die Situation zusätzlich verschärft.

Kollektive Verantwortung und klare Bilder von der Zukunft

Welche Funktion hat vor dem Hintergrund faktischer Unsicherheiten wissenschaftliche Evidenz? Darüber sprach Professor Ortwin Renn, Direktor am IASS. „Der Mensch lernt am besten über Versuch-und-Irrtum. Nur funktioniert das schlecht, wenn es Kipppunkte gibt, bei denen es kein Zurück mehr gibt“, sagte Renn. „Beim Klimawandel stehen wir genau vor solchen Kippmomenten, die der Menschheit keine Zeit lassen für Versuch-und-Irrtum.“  Welt und Wissenschaft sind komplexer geworden, doch die menschliche Natur sehe die Lage einfacher. Es liege in uns, sich eher auf die Seite derjenigen zu denken, die trotz der hohen Wahrscheinlichkeit eine Ausnahme sind. Oder eben zu glauben, dass die klimatischen Veränderungen dann doch nicht so schlimm für die Menschheit ausfallen werden.

„Um Antizipation bei der Gesellschaft fürs Thema Klimawandel zu erreichen, müssen wir mit klaren Bildern über die Zukunft arbeiten“, sagte Renn. Zugleich müsse deutlich werden, dass jeder Einzelne, jedes Land, jeder Gesellschaft weltweit von den bevorstehenden klimatischen Veränderungen betroffen sein werde. Aus diesem kollektiven Schicksal heraus rühre eine kollektive Verantwortung, die eher überzeuge als Szenarien, die weit weg scheinen wie etwa, dass sich ein Auto hierzulande auf das Klima in Bangladesch auswirke – genau das klänge für viele nicht plausibel und könne sie daher nicht zum Handeln anspornen. 


Neue Formen der Kommunikation erforderlich   

Im Vortrag von Professor Frank Fischer von der Humboldt Universität Berlin und Affiliate Scholar am IASS über die Neujustierung von Politikberatung vor dem Hintergrund von Klimawandelleugnern wurde deutlich, dass sich Umweltschützer zu sehr auf Daten konzentrierten und argumentierten, wie irrational es sei, diese Fakten nicht zu akzeptieren. Wichtiger sei es laut Fischer zu erklären, welche konkreten Auswirkungen die Klimaveränderungen auf unsere Lebensweise haben werden. Zwar sei unklar, wie diese Debatte politisch zu organisieren sei, aber genau dies sei die Diskussion, die Politiker und Gesellschaft führen müssten.  

Im Abschlussbeitrag von Professor Stephan Lewandowsky von der Universität Bristol ging es schließlich darum, die verschiedenen Argumentationsstrukturen zu verstehen und daraus Lehren zu ziehen. Es ginge darum, Akteure und Kommunikatoren gegen irreführende Argumentationen zu wappnen, damit die Öffentlichkeit lerne, falsche Argumente zu erkennen. Politische Entscheidungsträger sollten sich laut Lewandowsky nicht von lauten Minderheiten irreführen lassen. Wiederum für alle gelte: Disziplin wahren, mehrere verschiedene Meinungen akzeptieren, sich dabei aber nicht anlegen mit sich gegen den Rest der Welt zusammenrottenden Gruppen.

Das Fazit nach mehreren Diskussionsrunden: Es gebe Anlass zur Hoffnung, die Politik spiele eine entscheidende Rolle und die Schlagkraft des geballten Wissens der Wissenschaft sei nicht zu unterschätzen.