„Elite gegen Volk“: Die Haltung des Linkspopulismus zu Umweltfragen
03.08.2023
Populistische Parteien sind in den letzten Jahren auf dem Vormarsch, auch sie reagieren auf die wachsende Bedeutung von Klimafragen. In Forschung und Medien stehen häufig die rechtsextremen Parteien im Fokus, aber auch linkspopulistische Parteien positionieren sich zum Klimaschutz. Welche Ziele sie verfolgen, haben Laura Chazel (Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit) und Vincent Dain (Rennes I University) am Beispiel zweier französischer Parteien analysiert.
„Auch linkspopulistische Parteien greifen Umweltthemen auf und nutzen sie strategisch, um Wählerinnen und Wähler für sich zu gewinnen. Das ist in Frankreich besonders bei der Partei La France insoumise (LFI) zu beobachten, die 2016 von Jean-Luc Mélenchon gegründet wurde. Der Parteienwettbewerb und die wachsende Bedeutung von Umweltthemen veranlassten diese Partei dazu, eine ehrgeizige grüne Agenda zu entwickeln“, sagt Chazel. Bei den Präsidentschaftswahlen 2022 hatte die LFI damit einigen Erfolg: Sie überzeugte viele frühere Grünen-Wählerinnen und -Wähler für sich und erzielte mit 21,95 Prozent ein gutes Ergebnis.
Ungerechte Lastenverteilung
Chazel und Dain analysierten eine Vielzahl von Dokumenten von Mélenchons Parteien Parti de gauche (2008–2016) und La France insoumise (ab 2016), darunter Reden von Mélenchon und der Parteiführung, Blogeinträge, Medieninterviews, Partei-Manifeste und Wahlversprechen. Zudem führten sie Interviews mit Partei-Aktivistinnen und -Aktivisten. An zahlreichen Stellen zeigte sich ein bekanntes Merkmal des populistischen Diskurses: die Behauptung eines starken Gegensatzes zwischen „Volk“ und „Elite“. La France insoumise lastet die Umweltkrise der „Oligarchie“ an und formuliert das Ziel, mit einem grünen Wandel das Volk zu schützen.
„Die LFI kombiniert eine ökosozialistische Ideologie und Anti-Elitismus, um die Verantwortlichen für die Umweltkrise zu identifizieren: den Kapitalismus und den Produktivismus, aber auch eine verantwortungslose Wirtschaftselite sowie eine politische Elite, die sich der Untätigkeit im Klimaschutz und der Unterordnung des Wohls der Bevölkerung unter die Interessen der multinationalen Konzerne schuldig gemacht hat“, sagt Chazel. Der Partei zufolge wird das Volk durch die „grüne Politik“ der Elite bestraft, denn die politischen Maßnahmen richteten sich nicht an die Reichen und die multinationalen Konzerne. Zudem preist sie ein tugendhaftes Volk, dessen Größe und kollektives Handeln ein Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung sein werde.
Populismus muss nicht zur Ablehnung von Klimaschutz führen
Die LFI, so die Autoren, könne als Extremfall gelten, weitere Forschung würde jedoch wahrscheinlich ein gewisses Maß an „grünem Populismus“ auch für andere Parteien und innerparteiliche Strömungen nachweisen – etwa für die spanische Partei Más País, die 2019 von Íñigo Errejón gegründet wurde, oder für Alexandria Ocasio-Cortez und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter in der US-amerikanischen Demokratischen Partei.
„Die Analyse liefert neue Einblicke in die Verbindungen zwischen Populismus und Umweltfragen, indem sie zeigt, dass Populismus nicht zwangsläufig – so wie das bei rechtsextremen Parteien die Regel ist – in Opposition zu politischen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und zur Bekämpfung der globalen Erwärmung mündet“, erläutert Chazel. Linkspopulistische Parteien betonten die Verantwortung der wirtschaftlichen Elite für die Klimakrise oder die Untätigkeit der politischen Elite in Klimafragen. Gleichzeitig priesen sie das Volk nicht nur als Opfer der Umweltkrise, sondern auch als auch Akteur des grünen Wandels.
- Chazel, L., Dain, V. (2023 online): Left-Wing Populism and Environmental Issues: An Analysis of La France Insoumise’s ‘Popular Environmentalism’. - Political studies.https://doi.org/10.1177/00323217231178631