Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Sind die nachhaltigen Entwicklungsziele wirklich nachhaltig?

16.03.2015

Dr. Ira Matuschke

Dr. Ira Matuschke

ira [dot] matuschke [at] rifs-potsdam [dot] de
Entwaldung in Polen
Entwaldung in Polen

Das Jahr 2015 wird ein wichtiges Jahr für die nachhaltige Entwicklung: Im Dezember wird in Paris ein globales Klimaabkommen verhandelt. Der G7-Gipfel im Juni, unter der Präsidentschaft Deutschlands, wird sich mit nachhaltigem Wirtschaftswachstum beschäftigen. Und im September kommen die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen in New York zusammen, um nachhaltige Entwicklungsziele zu verabschieden und somit die Weichen für die globale Post-2015-Agenda zu stellen. Im Moment wird über 17 nachhaltige Entwicklungsziele und 169 Unterziele verhandelt, die die Millenniumsentwicklungsziele ablösen werden. Diese Ziele sollen für alle Länder gelten und die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie und Soziales) integrieren. Auch soll die Überprüfbarkeit der Ziele und Rechenschaftsplicht der Länder als festes Element in den nachhaltigen Entwicklungszielen verankert werden.

Biomasse spielt eine wichtige Rolle in den nachhaltigen Entwicklungszielen

Doch wie nachhaltig sind die nachhaltigen Entwicklungsziele? Ein neues IASS Working Paper, das sich derzeit im Entwurfsstadium befindet, versucht diese Frage am Beispiel der Rolle der Biomasse in den nachhaltigen Entwicklungszielen zu analysieren. Biomasse erfüllt vielfältige Funktionen. Die wichtigste Funktion sind Nahrungs-und Futtermittel, die ca. 82 Prozent der jährlich global produzierten Biomasse ausmachen. Zunehmend dient Biomasse auch zur Herstellung von Energie (wie z.B. Biokraftstoffen) und Biomaterialien, die in der Papier- oder chemischen Industrie verwendet werden. In Deutschland zum Beispiel werden derzeit auf ca. 15 Prozent der Ackerfläche Pflanzen für die energetische oder industrielle Nutzung angebaut. Biomasse stellt auch einen wichtigen Kohlenstoffspeicher dar und trägt damit zur Bekämpfung des Klimawandels bei.

Viele der vorgeschlagenen nachhaltigen Entwicklungsziele können nur mit Hilfe von Biomasse erreicht werden. In Ziel 2 zum Beispiel sind die Beendigung von Hunger und Mangelernährung eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität von Kleinbauern und eine nachhaltige Landwirtschaft verankert. Ziel 7 sieht eine Verdopplung des Anteils erneuerbarer Energien im globalen Energiemix bis 2030 vor, und Ziel 12 dringt auf nachhaltige Produktions-und Verbrauchsmuster.

Kann die Biomasse-Produktion auf nachhaltige Weise gesteigert werden?

Diese Ziele machen eine Steigerung der Biomasse-Produktion erforderlich. So schätzt die Welternährungsorganisation, dass die Nahrungs- und Futtermittelproduktion bis 2050 global um 70 Prozent ansteigen muss, um eine rasch wachsende Bevölkerung ausreichend zu versorgen. Die Internationale Energieagentur prognostiziert eine Verdreifachung des Biokraftstoffverbrauchs bis 2040, und eine Studie von Hoogwijk et al. (2003) nimmt einen starken Anstieg im Verbrauch holzbasierter Produkte an.

Doch können die Landwirte eine solche Steigerung überhaupt stemmen? Welchen Einfluss hätte diese auf die natürlichen Ressourcen wie Böden und Land und wie wäre sie in Hinblick auf die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit - wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – zu bewerten? Laut der Welternährungsorganisation kann die steigende Nachfrage nach Lebensmitteln zu großen Teilen über höhere Ernteerträge gedeckt werden. Auch gelte es weniger Nahrungsmittel zu verschwenden, was durch geringere Nachernteverluste oder weniger Verschwendung auf Verbraucherniveau erreicht werden kann. Bei der Energieproduktion aus Biomasse werden höhere Ernteerträge und die innovative Nutzung von landwirtschaftlichen Reststoffen eine Rolle spielen. Auch hier sollte der Verbrauch effizienter gestaltet werden.

Kampf um Land für die Biomasse-Produktion kann negative Auswirkungen haben

Höhere Erträge und eine effizientere Nutzung von Biomasse werden den steigenden Bedarf jedoch nicht abdecken können. Das heißt, dass sich die Produktion auf andere Flächen ausweiten muss. Die Schätzungen, wieviel zusätzliche Fläche künftig unter landwirtschaftliche Bewirtschaftung gebracht werden muss, gehen weit auseinander und variieren zwischen weltweit 123 und 300 Millionen Hektar. Zum Vergleich: Die Bundesrepublik Deutschland hat eine Fläche von 35,7 Millionen Hektar. Die Vereinten Nationen schätzen, dass vor allem Weideland, Savannen und Wälder weichen müssen, die wichtige Funktionen für unser Ökosystem erfüllen.

Der Kampf um Land für die Produktion von Biomasse für Nahrungsmittel wie auch für die energetische und stoffliche Nutzung kann negative soziale, ökonomische und ökologische Auswirkungen haben, die in dem Entwurf des IASS Working Paper ausführlich diskutiert werden. Oft ist die Bevölkerung, die das Land bewirtschaftet oder der das Land gehört, von einer Flächenexpansion betroffen. In Ländern, in denen Landrechte nicht durchgesetzt werden, kann es zu unrechtmäßigen Verdrängungen indigener oder benachteiligter Bevölkerungsgruppen kommen. Die Volatilität der Nahrungsmittelpreise kann sich erhöhen und die veränderte Landnutzung kann eine Degradierung von natürlichen Ressourcen wie Böden zur Folge haben. Die Abholzung von Wäldern kann den Ausstoß von Kohlenstoff erhöhen.

Nachhaltige Entwicklungsziele müssen das große Ganze im Auge behalten

Wenn die unterschiedlichen nachhaltigen Entwicklungsziele nicht integriert betrachtet werden, kann es daher zu Zielkonflikten kommen, die sich negativ auf die natürlichen Ressourcen und die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit auswirken. Biomasse ist ein gutes Beispiel, um die Auswirkungen von solchen Zielkonflikten aufzuzeigen. Gute Mechanismen zur Überwachung und Rechenschaftsplicht in den einzelnen Ländern werden benötigt, um solche Konflikte zu vermeiden.

Ich lade die Leser ein, unseren Entwurf zu einem IASS Working Paper zur Rolle der Biomasse in den Nachhaltigen Entwicklungszielen zu kommentieren. Vielen Dank!

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